Reden ist Silber, Schweigen ist Gold

Neulich war ich auf einem Seminar, und in der Pause befand ich mich in einer Gruppe, von denen alle ein unglaublich großes Redebedürfnis hatten. Jeder versuchte, die anderen mit ihren großartigen Geschichten zu übertrumpfen und es ähnelte dem typischen „Mein Haus, mein Auto, meine Frau“-Wettbewerb. Nach einiger Zeit fragte man mich, warum ich denn nichts dazu beizutragen hätte und ich antwortete: „Wenn sich jemand wirklich dafür interessiert, was ich zu sagen habe, kann man mich gerne fragen.“

Wir alle kennen sie – Menschen, die den Alleinunterhalter spielen und nur wenig Raum für ihren Gesprächspartner lassen. Sie gehen mit ihren Erfolgen hausieren, lassen nicht ausreden und stellen wenig bis gar keine Fragen. Sobald ihr Gegenüber versucht, sich selbst Gehör zu verschaffen, lenken die Selbstdarsteller geschickt wieder auf sich zurück. Selbst ein unterdrücktes Gähnen, der Blick aufs Handy oder ein gelangweilter Gesichtsausdruck stoppen sie nicht. Es fehlt ihnen an Feingefühl für die Situation und in der Regel ist ihnen nicht bewusst, dass sie mit ihrem Verhalten keinen Blumentopf gewinnen können. Am Ende der Unterhaltung bedankt sich der Alleinunterhaltung für den schönen

Abend und man selbst fragt sich, was an dem einseitigen Gespräch eigentlich schön war.

Zurück bleibt ein fahler Beigeschmack und der selbstbezogene Gesprächspartner wird schnell als „egozentrischer Profilneurotiker“ abgestempelt, der sich einfach nicht für seine Umwelt interessiert. Doch die Angebereien und augenscheinliche Ignoranz sprechen Bände und lassen vermuten, dass mehr dahinter steckt als fehlende Manieren.

Wie gehen Sie mit diesen Menschen um oder gehören Sie vielleicht selber zu denjenigen, die ein stark ausgeprägtes Redebedürfnis haben?

Sollte letzteres der Fall sein, fragen Sie sich doch einmal, was Sie damit bezwecken wollen? Möchten Sie gesehen werden?

Häufig ist das viele Reden ein Programm, das schon früh erlernt wurde. Wenn man sich bereits in der Kindheit Aufmerksamkeit erkämpfen musste, weil die Eltern mit anderen Dingen beschäftigt waren, dann kann es eine Strategie gewesen sein, viel von sich zu erzählen. Bestenfalls erzielte es die erwünschte Wirkung und man hat gelernt, dass Reden hilft.

Teils verfestigt sich dieses Schema so stark,

 

dass man den Glaubenssatz in sich trägt, nur etwas wert zu sein, wenn man Präsenz auf der Bühne zeigt. „Wenn ich nicht gesehen oder gehört werde, bin ich unsichtbar“. Andere waren früher vielleicht eher schüchtern und haben eine Außenseiterrolle übernommen, die sie im Laufe der Zeit mit großartigen Monologen und Selbstinszenierungen kompensiert haben.

Teils machen Betroffene die Erfahrung, dass Freunde und Bekannte sich schnell wieder aus dem Staub machen oder die Intensität nachlässt. Dadurch sind sie häufig auf der Suche, neue Kontakte zu finden. Doch auch bei neuen Kontakten ist eine enge und intensive Bindung teils erst nach langer Zeit bei ihnen möglich, nämlich sobald sich der „Selbstdarsteller“ sicher fühlt und weiß, dass er auch gesehen wird, wenn er mal schweigt und sich auch auf den anderen einlassen kann. Andere umgeben sich unbewusst mit Menschen, die sie bewundern und sie die Oberhand haben. Betroffene haben selten die Erfahrung gemacht, dass wahres Interesse für andere Menschen belohnt wird und sich lieber hinter ihrer „Entertainment“-Maske verstecken.

Echtes Interesse zeigen und Zuhören können sagt mehr als 1000 Worte.

 



„Man kann einem Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.“

Galileo Galilei